Heunetz, Raufe und Co

Warum Heunetze/Raufen in gewisser Weise immer Probleme mit sich bringen..

Im Alltag begegne ich ja sehr oft Pferden die aus Heunetzen oder Raufen gefüttert werden. Meistens haben diese Pferde Probleme im Genick und Blockaden im Kopfgelenksbereich (1. + 2. Halswirbel), sowie im Hals-/Brustwirbelübergang (CTÜ).


Aber zuerst zur Physiologie des Pferdes und Fressverhalten.

Der Körper (in diesem Beitrag möchte ich nur auf Kopf/Genick und Hals eingehen) des Pferdes ist dafür ausgelegt, um vom Boden zu fressen.

Warum und was passiert beim Fressen vom Boden ?

1. Der Pferdekopf hat ein sehr hohes Eigengewicht.

Beim Fressen vom Boden werden keine Haltemuskeln benötigt um den Kopf dauerhaft oben zu halten (im übrigen sind keine Muskeln auf eine Dauerhaltearbeit des Kopfes ausgelegt). D.h beim Fressen vom Boden werden Muskeln entlastet/gedehnt. Die kleinen Genickmuskeln können jetzt ihre Arbeit verrichten und mit kleinen Bewegungen Gras zupfen.


2. Der Unterkiefer des Pferdes folgt der Schwerkraft und rutscht ein kleines Stück nach vorne. So kommt es zu einem Übereinanderpassen von unter und Oberkiefer, wodurch ein gleichmäßiges Mahlen gewährleistet wird.


3. Durch die Schwerkraft wird der Hals (insbesondere die Halswirbel) "auseinander gezogen". Die Gelenke der Halswirbelsäule werden mobilisiert und entlastet.


4. Gerade bei Pferden mit einer engen Ganasche wird diese geöffnet und die Ohrspeicheldrüse hat Platz. 


5. Der physiologische Knick, der am Ende der Halswirbelsäule und am Hals-Brustwirbelübergang (CTÜ) besteht, wird durch das nach unten strecken des Kopfes (welches passiv, ohne Muskelkraft passiert) aufgehoben bzw entgegen gewirkt. Somit werden auch hier die Gelenkflächen voneinander entfernt und die Gelenke entspannt/mobilisiert.


Wie sieht jetzt die Realität mit Heunetzen aus ?

Sehr sehr häufig hängen die Netze viel zu hoch. Lässt sich leider nur seltenst vermeiden, da die Pferde sich sonst mit dem Huf(eisen) verfangen könnten. Es kommt also zu einer hohen Kopfhaltung. Die kleinen Genickmuskeln, die normalerweise die kleinen Zupfbewegungen ausführen, versuchen jetzt krampfhaft den schweren Kopf hoch zu halten + Heu aus den Löchern zu zupfen. Durch die Schwerkraft und Muskelaktivität wird die Halswirbelsäule zusammen geschoben, die Gelenke der Wirbelsäule bekommen Druck und somit Stress. Der Knick im CTÜ bleibt dauerhaft bestehen.

Der Unterkiefer rutscht nicht nach vorne, wodurch nicht zu 100% richtig gemahlen werden kann. Die Ganasche/Speicheldrüse wird durch oft vorkommende "Reißbewegungen" am Heunetz immer wieder komprimiert.

Oft sieht man auch gefrustete/übermotivierte Pferde die den Kopf regelrecht in die Höhe reißen um Heu aus dem Netz zu ziehen. Diese Bewegung ist absolut unphysiologisch und war für die Kopfgelenke nie vorgesehen.

Somit kommt es (auf Dauer) zu schmerzhaften Verspannungen und Blockaden im Genick/Halswirbelbereich.

Das ganze Problem gilt nur eingeschränkt für große Raufen (Rundballen mit Netz); bei diesen hängen die Pferde den Kopf (je nach Füllhöhe) meistens der Schwerkraft folgend zumindest ein Stück nach unten.


Erst letzte Woche war Nachkontrolle bei einem Pferd, welches durch eine Verletzung im Genick massiv verspannte Genickmuskeln hatte und somit immer wieder "Anfälle" (der Kopf konnte nicht mehr gehoben werden, Pferd wirkte wie benebelt) bekam. Beim ersten Termin lockerte ich u.a die Genickmuskeln und mobilisierte die Kopfgelenke. Das Pferd bekam das Heu ab jetzt nur noch vom Boden und nicht mehr aus der Heuraufe...die Muskulatur wurde regelmäßig massiert und mobil gehalten...siehe da keine Anfälle mehr, die normalerweise wöchentlich kamen.


Also sofern ihr die Möglichkeit habt, die Pferde vom Boden zu füttern: tut das ! So wurde es von der Natur vorgesehen und die Muskeln und Gelenke am Kopf/Halsbereich erfüllen ihren Zweck. 


Falls ihr auf Netze/Raufen angewiesen seid (Rehepferd/EMS etc. pp)

- hängt die Netze/Raufen möglichst tief damit der Kopf sich senken kann (Achtung! Aufpassen dass nicht mit den Hufen/Eisen hängen geblieben wird)

- Bodenhohe Heuraufen möglichst tief füllen, sodass vom Boden rausgezupft werden kann 

Alternativ zu Raufen oder Netzen gibt es noch Heuboxen (in die nicht rein gestiegen werden kann). Diese sind ein guter Kompromiss.


Auf dem Video seht ihr welche Höhe und Fressweise aus einem Heunetz für mich (im Bezug auf HWS und Kopf/Genick) akzeptabel wäre.